„Ich bin echt und verstelle mich nicht.“ - Interview mit TikTok-Star Luis Bauer
Luis Bauer arbeitet im Bestattungsbetrieb seines Vaters. Für seinen eigentlichen Job als Einbalsamierer und Bestatter hat er immer weniger Zeit, denn Luis Bauer ist TikTok-Star. Auf der Videoplattform folgen seinem Profil bestattungenburger über 1,2 Mio. Menschen. Im Interview erzählt uns das Social-Media-Phänomen, wie sein ganz normaler Arbeitstag ausschaut, warum er auf TikTok so erfolgreich ist und was man als Handwerksbetrieb von ihm lernen kann.
1. Herr Bauer, wenn Sie auf Ihren Beruf angesprochen werden, antworten Sie dann „Bestatter“ oder „TikToker“?
Ich antworte oft beides. Ich sage schon, dass ich Einbalsamierer und Bestatter bin, aber als TikToker sehe ich mich auch – also 50/50.
2. Haben Sie mit so einem Erfolg auf TikTok gerechnet? Ist so etwas planbar?
Nein, ich glaube nicht, dass so ein Erfolg auf TikTok planbar ist. Ich habe nicht mit diesem Erfolg gerechnet. Im Februar 2021 war es nur eine Idee, weil das Thema Bestattungen spannend ist und es die Leute interessiert. So war es damals für mich im echten Leben, also habe ich mir gedacht, dass das auch im Internet funktionieren muss. Ich habe dann mein erstes TikTok veröffentlicht und es war direkt erfolgreich.
3. Was ist Ihr Erfolgsrezept für TikTok?
Es ist meiner Meinung nach die Mischung aus vielen Dingen. Zum einen ist es Authentizität. Ich bin echt und verstelle mich nicht. Das mögen die Leute auf TikTok, weil sie merken, dass ich einer von ihnen bin. Zum anderen ist es das Thema an sich. Meine lockere und ehrliche Art, die ich in meinen Videos zu transportieren versuche, in Kombination mit dem ungewöhnlichen Thema Tod oder Bestattungen, was eh schon spannend ist, sind die Gründe dafür, dass die Videos so gut laufen.
4. Wie viel Prozent Ihrer Arbeitszeit gehen Sie Ihrem eigentlichen Beruf nach und wie viel Prozent fließen in Social-Media-Tätigkeiten?
70 % normaler Job und 60 % Social Media (lacht). Spaß bei Seite. Es ist oft so, dass ich noch abends oder am Wochenende Videos aufnehme. Das versuche ich etwas umzustellen, weil es schon auch stressig ist. Aktuell ist es so, dass ich die Videos während der Arbeitszeit drehen kann. Ich kann mir dafür Zeit nehmen und muss nicht zu 100 % im Bestattungsbetrieb meines Vaters mitarbeiten. Ganz konkret bin ich häufig von 8 bis 15 Uhr Bestatter und drehe dann von 16 bis 18 Uhr meine Videos. Den Videoschnitt mache ich dann irgendwann zwischendurch oder am Wochenende. Inzwischen kann ich sogar den gesamten Freitag für Social Media einplanen und kann unter anderem Drehbücher schreiben und TikToks schneiden. Fragen aus der Community beantworte ich dann abends im Bett.
5. Kommt es für Sie eigentlich infrage, hauptberuflich TikTok-Creator zu werden?
Dazu habe ich tatsächlich keine Lust. Wenn morgen TikTok nicht mehr existieren würde, dann fände ich das schade, aber es wäre mir auch egal. Ich bin gerne Bestatter. Ein Leben als Fulltime-Influencer würde mich viel zu sehr stressen. Ein Mix ist gut, da ich nicht von meinem Erfolg auf TikTok abhängig bin.
6. Was sollte man als Handwerksbetrieb beachten, wenn man auf TikTok Erfolg haben möchte?
Man braucht zuerst einmal den Mut, das zu machen. Und wenn man sich dann getraut hat, muss man als Betrieb Bock darauf haben. Man muss die Sache schon ernst nehmen. Außerdem sollte man sich nicht verstellen. Die Leute mögen es, wenn man die echte Person sieht. Und: Die TikToks sollten einen Mehrwert stiften. Was nimmt der Betrachter oder die Betrachterin des Videos mit? Häufig bringen ältere Leute auf TikTok superspezifische Fachthemen. In der Branche perfekt, doch die anderen fachfremden Leute wollen auch etwas mitnehmen. Wie kann ich meine Themen herunterbrechen, sodass es ein Normalo versteht? Die Leute interessieren sich nicht für perfekten Content, sondern beispielsweise dafür, wenn mal etwas schiefgeht. Das perfekte Fotografen-Foto oder -Video war gestern.
7. Würden Sie sagen, dass Sie mit Ihrem Engagement auf TikTok etwas im Handwerk bewirken?
Ja, das weiß ich sogar, denn ich bekomme viele Rückmeldungen. Einige Leute wollen wegen mir Bestatter werden. Ein Follower hat mich auf der Straße angesprochen und mir erzählt, dass er wegen meiner Videos eine Ausbildung angefangen hat. Von einer Bestatterin aus Berlin habe ich letztens auf einer Bestatter-Messe erfahren, dass sie ihren Azubis die Hausaufgabe gibt, meine gesamten Videos zu schauen. Völlig abgefahren!
8. Sie arbeiten im Betrieb Ihres Vaters. Was hält er eigentlich davon?
Mein Vater unterstützt mich bei der ganzen Sache. Er ist mein Organisator, Manager und Kameramann. Mein Vater hat schon früher YouTube-Videos aufgenommen, da war ich noch nicht einmal geboren. Er hat die Einstellung, sich gerne in die Karten schauen zu lassen, und das kommt gut bei den Leuten an. Er hat aber auch nicht damit gerechnet, dass unser Kanal so stark wächst. Ich bin froh, dass er mir den Rücken freihält.